Geschichte des Markgräfin-Wilhelmine-Gymnasiums
1894
Errichtung des Gebäudes
Von 1894 bis 1896 wird nach Planung des Landbauamtes Bayreuth das Gebäude des heutigen MWG an der Königsallee 17 als dreigeschossiger neubarocker Monumentalbau mit kräftig gegliederten Mittel- und Eckpavillons, Mansarddach und genutetem Sockelgeschoss auf freiem Feld errichtet (Vgl.: Bernd Mayer: Geheimnisvolles Bayreuth, S. 19).
Im Mittelbau befindet sich die Aula, die mit einem stuckiertem Muldengewölbe dekoriert und mit einer Orgel ausgestattet ist. Zur Straße hin werden das Gebäude und der weitläufige Park durch Pfeilerportale und einen schmiedeeisernen Gitterzaun abgegrenzt.
1895/96
Einweihung der „LBA“
Am 2. Oktober 1895 findet in der Aula die feierliche Einweihung der „Königlichen Lehrerbildungsanstalt zu Bayreuth“ (LBA) statt. Hier sollen als Pendant zur überfüllten katholischen Bildungsanstalt in Bamberg junge evangelische Männer aus der Region zu vaterlandsliebenden, königstreuen und glaubensfesten Volksschullehrern ausgebildet werden. Ihre Aufgabe soll es sein, „der Bevölkerung fördernd, helfend, schützend zur Seite [zu] stehen”, wie es der damalige Regierungspräsident Oberfrankens, Rudolf Freiherr von Roman, in seiner Eröffnungsrede formuliert.
Die LBA Bayreuth nimmt in ihrem ersten Jahr mit 49 Studenten den Betrieb auf und wächst dann rasch.
1906/07
Lehrbetrieb an der „LBA“
Inzwischen ist die Zahl der Studierenden bereits auf 293 gestiegen, das Kollegium von ursprünglich vier auf 16 Lehrende angewachsen.
Auch die 80 Plätze des Internats im zweiten Stockwerk sind schnell belegt. Hier übernachten etwa die Jungen, die aus den Präparandenschulen Bamberg, Kulmbach oder Wunsiedel nach Bayreuth gekommen sind und sich kein eigenes Zimmer in der Stadt leisten können.
Ihre Väter gehen zumeist Handwerksberufen nach, sind Lehrer oder Landwirte. An der LBA bekommen die Söhne nun Unterricht in traditionellen Volksschulfächern wie Religion, Deutsch, Rechnen oder Geschichte, aber auch Turnen, Musik, Landwirtschaft, Gemeindeschreiberei und natürlich Erziehungswissenschaften und Pädagogik stehen auf dem Lehrplan.
1914 – 1918
Erster Weltkrieg
Eigentlich sollte die LBA neben einer „Stätte der Arbeit, des Fleißes und unausgesetzter Fortbildung“ vor allem auch ein Ort „des Friedens und der Eintracht“ sein, so von Roman in seiner Eröffnungsrede. Nun, knapp 20 Jahre nach ihrer Gründung, wird dieser Wunsch allerdings auf eine erste schwere Probe gestellt:
Kaum hat der Erste Weltkrieg begonnen, meldet sich bereits die Hälfte der Seminaristen freiwillig zum Kriegsdienst. Und während 1915/16 der Jahresbericht noch davon spricht, dass „die gewaltigen Ereignisse und einzigartigen Verhältnisse auch Anlaß genug [geben], die Herzen der Jugend emporzuheben zu vaterländischer Begeisterung und zu Entschlüssen und Taten edlen Gemeinsinns“, steigt die Zahl der Kriegsopfer, die die LBA zu verzeichnen hat, stetig.
Am Ende des Krieges werden die Namen von 63 Gefallenen und 16 Vermissten ihren Platz auf der steinernen Gedenktafel im Eingangsbereich des Gebäudes gefunden haben.
Seit den Osterferien 1915 stehen zudem in allen verfügbaren Räumen des 1. und 2. Stockwerks gut 250 Betten, in denen Kriegsversehrte versorgt werden. Das Seminargebäude wird als Reservelazarett genutzt – nicht zum letzten Mal in seiner Geschichte.
1920er
Zeit der Weimarer Republik
Die Wirren der Nachkriegszeit sind überstanden und Lernen und Leben an der LBA laufen in der Weimarer Republik wieder in ruhigeren Bahnen, da bekommt die Lehrerbildungsanstalt neue Nachbarn: Die heutige Jean-Paul-Schule wird 1928 als „Übungsschule“ errichtet. Die angehenden Lehrer sollen hier ihre ersten Unterrichtsversuche durchführen und erhalten dafür einen eigenen Übergang zum neuen Gebäude, damit sie – und vor allem ihre Ausbilder – trockenen Fußes zu ihren Schülern gelangen.
Auch sonst verändert sich einiges: Ein neu gegründeter „Schülerrat” und ein gewählter „Lehrervertrauensrat” sind kleine Schritte in Richtung Mitbestimmung und Demokratie. Sie werden von der Leitung der Bildungsanstalt durchaus kritisch beäugt.
1933
Zeit des Nationalsozialismus
In ganz Deutschland sind dunkle Wolken aufgezogen. Auch die LBA bleibt davon nicht verschont.
Hans Schemm, selbst Zögling der Bayreuther Lehrerbildungsanstalt, wird „Bayerischer Kultusminister” und beginnt die Lehrerausbildung im Sinne der NS-Ideologie umzugestalten. Die staatlichen Lehrerbildungsanstalten werden geschlossen oder wie in Bayreuth in Hochschulen für Lehrerbildung umgewandelt. Den Lehrkräften wird nahegelegt, dem von Schemm geführten „Nationalsozialistischen Lehrerbund“ beizutreten, der seinen Sitz im eigens dafür errichteten „Haus der deutschen Erziehung“ in Bayreuth hat.
Viele folgen dieser „Empfehlung”. Andere, wie der gewerkschaftsnahe Lehrer und Regimekritiker Oswald Merz, werden entlassen, verfolgt und inhaftiert. Auch die Studierenden werden gleichgeschaltet, treten dem „Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund“ bei und wohnen nun im „Kameradschaftsheim“.
1934
NS-Ideologisierung
Neben der Gleichschaltung des Personals wird unter dem neuen, linientreuen Direktor Dr. Eduard Kolb auch der Lehrplan an die nationalsozialistische Ideologie und die mit ihr verbundenen Bildungsziele angepasst und um völkisch-nationale und rassistische Inhalte wie „Grundlagen des rassehygienischen Denkens“, „Vererbungslehre“ oder „Erziehungslehre und nationalpolitische Bildung“ erweitert.
Ziel dieser Neuausrichtung ist es, wie Kolb in seiner offiziellen Antrittsrede 1936 formuliert, Lehrer zu „politischen Offizieren“ auszubilden, die dabei helfen, die ihnen „anvertraute Jugend im Sinn der Zielsetzungen des Führers [zu] entwickeln“.
1938 – 1941
Nationalsozialistischer (Un-)Geist
In den Arbeitsplänen der Jahre 1938 bis 1941 finden sich daher auch Seminare wie „Die deutsche Geschichtsschreibung als Künderin des Nationalsozialismus“ oder „Gastvorträge zur wehrgeistigen Erziehung“. Die Abschlussarbeiten, die an der Hochschule entstehen, setzen sich mit Themen wie „Die Hitlerjugend und ihre Aufgaben: Erziehung zum Führer“ oder „Die rassepolitischen Aufgaben des Bauerntums“ auseinander.
1941 – 1945
Zweiter Weltkrieg & Nachkriegszeit
Die Hochschule für Lehrerbildung besteht nur wenige Jahre. Schon 1941 wird sie kriegsbedingt in eine Lehrerinnenbildungsanstalt umgewandelt, die bis zum Kriegsende Bestand hat. Parallel dazu wird das Gebäude in den letzten Kriegsmonaten auch wieder als Lazarett genutzt.
Schon Ende 1945 nimmt die Lehrerinnenbildungsanstalt dann erneut ihren Betrieb auf. Aufgrund des Krieges und der anlaufenden Entnazifizierung fehlen in Oberfranken viele Lehrkräfte. Der ehemalige Direktor Kolb ist da schon wegen seiner Mitgliedschaft und seiner Funktionen in der NSDAP von der Militärregierung entlassen, verhaftet und inhaftiert worden. Drei Jahre später wird er in einem Entnazifizierungsverfahren als Minderbelasteter eingestuft.
1945 – 1955
„Deutsches Gymnasium“
Vom Kriegsende bis 1948 wird das Gebäude als Flüchtlingskrankenhaus genutzt, die Klassen werden vorübergehend ausgelagert.
1949 wird die Königsallee 17 zur Wohngemeinschaft. Auf Druck der US-Militärregierung zieht eine musisch ausgerichtete Oberschule in Kurzform, die ihren Absolventen nach sieben Schuljahren den Zugang zum Volksschullehrerstudium ermöglicht, in das Gebäude ein – ab 1954 unter dem Namen „Deutsches Gymnasium“.
Damit befinden sich unter einem Dach nun zwei unterschiedlich ausgerichtete und stark wachsende Bildungseinrichtungen, deren unfreiwillige Partnerschaft nicht immer reibungslos verläuft, wie der interne Briefwechsel belegt.
1955 – 1965
„Markgräfin-Wilhelmine-Gymnasium“
So kommt es 1956 schließlich erst zur institutionellen und 1964 dann zur räumlichen Trennung der beiden Parteien:
Während die LBA als „Pädagogische Hochschule“ in einen eigenen Neubau am Geschwister-Scholl-Platz zieht und 1975 in der neu gegründeten Universität Bayreuth aufgeht, verbleibt das musische Gymnasium im Gebäude und trägt ab dem Schuljahr 1965/66 den Namen „Markgräfin-Wilhelmine-Gymnasium“ – benannt nach Friederike Sophie Wilhelmine von Preußen bzw. Wilhelmine von (Brandenburg-)Bayreuth (1709 – 1758), Schwester von Friedrich dem Großen (1712 – 1786), dem „Alten Fritz“, die ihre Residenzstadt mit ihrem Sinn für Musik, Dichtung und bildende Kunst entscheidend prägte, z. B. durch den Anstoß zum Bau des Markgräflichen Opernhauses, das 2012 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erhoben wird.
1966 – 1969
Wachstum
Die ersten Jahre als Alleineigentümer sind von Schwierigkeiten geprägt. So konstatiert der ehemalige Schulleiter Rudolf Grenz in einer Schulchronik: „Auch nach dem Auszug der Pädagogischen Hochschule ist das große Schulgebäude zu klein: Eine Miniaturausgabe von Turnhalle, ein überbelegtes Schülerinnenheim und zunehmende Schülerzahlen – die 400er-Grenze wurde 1966 überschritten – lieferten ihre handfesten Probleme.“
1970er
Entwicklung
Langsam aber bessert sich die Lage. Im Winter 1971 wird die neue Zweifachturnhalle fertiggestellt, 1973/74 gelingt die Angliederung eines neusprachlichen Zweiges und 1977 wird der ersehnte Neubau des Internats eröffnet. Hierdurch werden im Hauptgebäude Räume für den Unterricht frei, was in den 1980er-Jahren umfangreiche Umbau- und Renovierungsarbeiten zur Folge hat.
1980er
Etablierung
1982 wird am MWG eine Tradition begründet: das MWG-Sommerfest. Bis heute ist es durch die Atmosphäre im wunderschönen Park der Schule für viele der schönste Anlass, sich nach 10, 15, 20 oder noch mehr Jahren beim Klassentreffen wiederzusehen, und Garant für einen stimmungsvollen Abend mit guter Musik und netten Gesprächen am Ende eines Schuljahres.
1988 zieht in ein Klassenzimmer im Erdgeschoss der Königsallee 17 ein neuer, recht besonderer Bewohner ein – mannshoch, einige hundert Kilo schwer, aus Stahl: der Antes-Kopf. Auch er, erschaffen vom für seine „Kopffüßler“ bekannten Künstler Horst Antes, ist dem MWG bis heute treu geblieben, in „seinem“ Klassenzimmer und im Schullogo.
1990er
Konsolidierung
Die 1990er-Jahre, in die auch der 100. Geburtstag des denkmalgeschützten Gebäudes fällt, können schulgeschichtlich als Phase der Konsolidierung betrachtet werden.
Der Unterrichtsbetrieb geht seinen gewohnten Gang, an G8 denkt noch niemand, gebaut wird auch nicht viel, weil ja erst in den 70ern und 80ern gebaut und renoviert worden ist und die im 600er-Bereich liegenden Schüler*innenzahlen und die Quadratmeterzahl des Monumentalbaus noch im Einklang sind.
Kurzum: Das Markgräfin-Wilhelmine-Gymnasium wächst und gedeiht.
2000er
Modernisierung
Das neue Jahrtausend beginnt wieder einmal mit Bauarbeiten: 2006 wird der Innenbereich des Internats saniert und modernisiert sowie eine Mensa errichtet, die der ganzen Schulfamilie offensteht und auch von der Jean-Paul-Schule genutzt wird.
2009 nimmt das Internat erstmals seit fast 60 Jahren wieder Jungen auf. Zu verdanken ist dies der Einrichtung des einzigen Hochbegabtenzweiges in Oberfranken am MWG. Wie zur Gründerzeit der LBA sollen begabte Jungen, die aus weiter entfernten Gebieten Nordostbayerns kommen, trotz der räumlichen Entfernung die Möglichkeit haben, am MWG die Modellklassen für hochbegabte Schüler*innen zu besuchen.
2010er
Weiterentwicklung
2012 wird das MWG zur Filmkulisse: Für „Rubinrot“ und die Fortsetzung „Smaragdgrün“ (2015) werden gegenwärtige und historische Szenen im Schulhaus und der Mensa gedreht. 2019 entsteht eine Folge der TV-Serie „Der Vertretungslehrer“ mit Thomas Gottschalk am MWG.
Zum Schuljahr 2015/16 werden mit Erlaubnis des Kultusministeriums die offiziellen Zweige des MWG, musisch und sprachlich, durch die naturwissenschaftlich-technologische Ausbildungsrichtung ergänzt. Außerdem wird das MWG in diesem Jahrzehnt gleich dreimal als MINT-freundlich ausgezeichnet. 2020 folgt die erste Ehrung als Digitale Schule.
2016 wird das MWG als Kompetenzzentrum für Begabtenförderung zertifiziert, unterstützt seither die Gymnasien im Regierungsbezirk Oberfranken in der Begabtenförderung und gibt Impulse zur Weiterentwicklung.
2021 – 125 Jahre
Vergrösserung
Mit 49 Seminaristen begann 1896 die Geschichte der Bildungsanstalt an der Königsallee 17. 125 Jahre später bevölkern über 900 Schülerinnen und Schüler, 130 Lehrkräfte sowie Erzieherinnen, Hausmeister, Sekretärinnen, Küchen- und Verwaltungspersonal sowie ein Heer von Bauarbeitern ein historisches Gebäude, ein Internat, eine Mensa, acht Klassenzimmer in Pavillons auf der Vorder- sowie eine Baustelle auf der Rückseite.
Denn um den notwendigen Flächenbedarf des stetig wachsenden Gymnasiums zu decken – es fehlen nun 2000 Quadratmeter –, wird seit Herbst 2019 ein großzügiger Erweiterungsbau mit neuen Räumen für Biologie, Chemie, Physik, Informatik und Kunst, mit einer Dreifachsporthalle und der Schulmediathek errichtet. Der Erweiterungsbau ist so konzipiert, dass durch ihn die typisch neobarocken Merkmale des bestehenden Schulgebäudes nicht verstellt werden.
Ausstellung zur Schulgeschichte
Seit 125 Jahren wird in dem Gebäude Königsallee 17 nun Wissen vermittelt und (Lebens-)Geschichte geschrieben. Anlässlich dieses Jubiläums laufen seit nunmehr drei Jahren Vorbereitungen für eine Ausstellung über dessen Geschichte. In enger Kooperation mit dem Archiv der Universität Bayreuth sowie den dortigen Lehrstühlen für Fränkische Landesgeschichte und Medienwissenschaften haben sich ein W- und ein P-Seminar des MWG der Aufgabe gewidmet, der bisher kaum erforschten Entwicklung des Hauses von seinen Anfängen als Königlich Bayerische Lehrerbildungsanstalt (LBA) bis zum musischen Gymnasium heutiger Tage nachzuspüren.
Ziel ist es, eine illustrierte, auch interaktiv erfahrbare Geschichte des Schulgebäudes entstehen zu lassen, die in Kürze als virtuelle Ausstellung im Internet starten wird, im Laufe des Jahres dem Publikum aber auch stationär zugänglich gemacht werden soll. Ein begehbarer Pavillon macht dann Entwicklungsphasen, Ereignisse und Erlebnisse in Bild, Ton und Text zugänglich. Durch multimediale Anwendungen können die Besucher*innen der Schulgeschichte und den persönlichen Erfahrungen der Menschen, die in diesem Gebäude lebten, lehrten und lernten, in vielfältiger Weise begegnen.
Im Rahmen der Ausstellung sollen neben der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Geschichte der LBA anhand von Archivalien vor allem auch Zeitzeugeninterviews mit ehemaligen Schülerinnen und Schülern, Studierenden oder Mitgliedern des Lehrpersonals Einblicke in das Studien-, Schul- und Internatsleben der vergangenen Jahre geben.
Und hier kommen Sie ins Spiel: Wenn Sie eigene Erfahrungen mit der Lehrerinnenbildungsanstalt oder dem MWG gemacht haben, hier gelernt, gelebt oder ab und an auch gelitten haben, würden wir uns freuen, wenn Sie uns an Ihren Erfahrungen teilhaben lassen und die Ausstellung mit Ihrer Perspektive bereichern. Ob Erinnerungen oder Erinnerungsstücke, kleine Anekdoten, große Erlebnisse, bewegte Bilder oder alte Fotografien – unsere Neugier ist groß. Setzen Sie sich mit uns in Verbindung und schreiben Sie mit uns Geschichte!